Dies war wohl der dramatischste Fall in meiner gesamten Tätigkeit als Strafverteidiger.
In der Münchener JVA, in Stadelheim, saß ein 52jähriger Jugoslawe, B. P., unter dem Verdacht, den Garmischer Mercedes-Händler Kurt Hornung erpresst, entführt und dann erschossen, eine Bank in Seeshaupt ausgeraubt und auch weiter mehrere Kaufhäuser erpresst zu haben.
Ich wurde von seiner Frau gebeten, seine Verteidigung zu übernehmen, da er in der Nachbarschaft, im Ort Hugelfing sehr beliebt war und auch seine Familie an seine Unschuld glaubte.
Mein Mandant beteuerte auch immer wieder, dass er selbst Opfer einer Erpressung geworden sei und der tatsächliche Täter zur Ermordung des Kurt Hornung ihn gezwungen habe, die Tatwaffe in der Nähe der Autobahn München-Garmisch zu vergraben.
Er habe dabei Handschuhe getragen, sodass die Fingerabdrücke des wirklichen Mörders sich noch auf der Tatwaffe befinden müssten.
Er verwies weiter darauf, dass er bisher noch nie mit Gewalt in Erscheinung getreten sei, als liebevoller Familienvater bekannt wäre, keine finanziellen Probleme habe etc., sodass ich ihm Glauben schenkte.
Er beschrieb mir auch ganz genau die Stelle, an der er die Waffe vergraben musste, sodass ich als „engagierter Verteidiger“ im Winter bei Frost an der Stelle tatsächlich nach der angeblichen Tatwaffe grub, allerdings vergeblich.
Mein Mandant erklärte, darauf angesprochen, dass er sich dann wohl an der exakten Beschreibung der Fundstelle geirrt habe, sodass ich weitere Bemühungen aufgab.
Ich habe Herrn B. P. dann häufig in der JVA München besucht und mit ihm die inzwischen eingesehenen, sehr umfangreichen Ermittlungsakten, die aus mehreren Aktenordner bestanden, besprochen.
Dabei war für mich klar, dass sich die Beweislage gegen ihn so verdichtete, dass ich ihm aus verteidigungstaktischen Gründen dringend zu einer „Flucht nach vorne“ und zwar zu einem offenen Geständnis raten musste und dabei versuchen wollte, hier erhebliche Strafmilderungsgründe zu finden, um eine zu befürchtende, lebenslange Freiheitsstrafe, zu vermeiden.
An einem Freitag, dem 22.08.1986, wollte ich ihn erneut besuchen, musste aber aus Zeitgründen diesen Besuch auf den kommenden Montag verschieben.
Am Nachmittag erhielt ich einen Anruf von der Polizei, dass mein Mandant in der JVA Stadelheim einen Anwaltskollegen als „Geisel“ genommen habe, wobei man mich bat, sofort in die JVA zu kommen, um möglicherweise auf den Mandanten einzureden, seine Geiselnahme aufzugeben.
Da ich wusste, dass mein Mandant eine tatsächlich sehr innige Beziehung zu seiner Familie, insbesondere zu seiner 20jährigen Tochter Doris hatte, wurde diese von der Polizei abgeholt und in die JVA Stadelheim gebracht.
Herr B. P. lehnte es jedoch ab, auf diese Taktik der Polizei einzugehen und mit seiner Tochter zu sprechen.
Ich bin dann zur JVA Stadelheim gefahren, wobei der Bezirk großräumig abgeriegelt war. Ich wies mich als Verteidiger von Herrn B. P. aus, wobei jedoch, bevor ich die JVA erreicht hatte, die Polizeiaktion spektakulär beendet wurde.
Ein Anwaltskollege, Herr RA P. G., hatte in einer Besucherzelle der JVA auf seinen Mandanten gewartet, als mein Mandant plötzlich mit einem Anstaltsmesser in seinen Sprechraum stürmte und nach einem Handgemenge den Anwaltskollegen fesselte und ihm eine mit Lederriemen verknotete Bombe um den Hals legte.
Später stellte sich heraus, dass diese Bombe tatsächlich sehr gekonnt konstruiert war und Herr B. P. als Sprengsatz über einen langen Zeitraum gesammelte „Zündholzköpfe“ zu einem Pulvergemisch verwandte.
Er forderte ein Fluchtauto von der inzwischen eingetroffenen Polizei und drohte, dass die Bombe in Kürze explodieren würde.
Die Polizei versuchte, „Zeit zu gewinnen“ und mit einem Polizeipsychologen meinen Mandanten zur Aufgabe zu überreden.
Als diese Versuche scheiterten und bei seiner Zellendurchsuchung festgestellt wurde, dass sich dort Reste zum Basteln einer Bombe befanden, sah sich die Polizei zu einem kurzfristigem Einschreiten veranlasst und stürmte die Zelle.
Dabei kam es tatsächlich zu einer Explosion, durch die mein Anwaltskollege erhebliche Verletzungen und Verbrennungen erlitt und längere Zeit im Krankenhaus verbringen musste.
Es war offensichtlich nur einem Zufall zu verdanken, dass er tatsächlich mit dem Leben davon kam.
Selbstverständlich habe ich umgehend nach Kenntnis dieses Vorfalls das Mandat für Herrn B. P. niedergelegt, wobei mir erneut klar wurde, wie gefährlich der Beruf eines engagierten Strafverteidigers sein kann. Diese Erkenntnis hatte sich in einem anderen Mandat bestätigt, in welchem ich einen „Geheimdienstkiller“ vertrat.
Dazu habe ich zur Pressemitteilung Nr. 19 noch konkret berichtet.
Anzumerken ist abschließend, dass Herr B. P. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde und noch die Stirn hatte, mich später aus der JVA Straubing mehrmals anzuschreiben um erneut seine „Unschuld zu beteuern“.
Auch dieses gibt einem Strafverteidiger Anlass zu schwerwiegenden Bedenken.

Gegenstand dieses Prozesses war eine nicht unübliche Ehekrise, die später derart eskalierte, dass es zu dieser dramatischen Entwicklung kam.
Mich hatte ein Mandant aus der JVA Stadelheim in München um seine Verteidigung gebeten, der wegen einer Geiselnahme in Untersuchungshaft saß.
Er erzählte mir sofort, dass er ein Geständnis ablegen wolle, da er seine beiden Kinder „abgöttisch liebte“ und verhindern wollte, dass diese in den Prozess hineingezogen würden.
Er schilderte mir, dass seine Frau seit längerer Zeit einen Liebhaber hatte und dieses auch ganz offen im Ort Parsdorf demonstrierte.
Er sah sich der Lächerlichkeit preisgegeben.
Er habe dann mitansehen müssen, wie seine Frau am Münchener Hauptbahnhof in zärtlicher Umarmung mit seinem „Nebenbuhler“ schließlich mit der gemeinsamen, von ihm heißgeliebten Tochter einen Bus betrat und er befürchten musste, dass diese zusammen verreisen wollten.
Er versuchte, dieses zu verhindern, wobei der neue Freund seiner Frau im spöttisch mitteilte, dass die Scheidung längst eingereicht sei, was ihn derart in Wut brachte, dass er die gemeinsame Tochter aus dem Bus holte. Auf der Fahrt in die gemeinsame Wohnung holte er auch seinen behinderten Sohn ab und verschanzte sich in dem Eigenheim.
Die alarmierte Polizei umstellte das Haus und versuchte, ihn zur Aufgabe zu überreden, was schließlich auch gelang.
Im anschließenden Prozess vor der Großen Strafkammer des LG München II habe ich dann versucht, die psychische Ausnahmesituation und die Verkettung unglücklicher Umstände ausführlich darzulegen und plädierte auf eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit.
Obwohl das von mir beantragte Sachverständigengutachten dazu ganz erhebliche und überzeugende Argumente und Feststellungen lieferte, wurde mein Mandant zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 5 Jahren verurteilt.
Die von mir dagegen eingelegte Revision war erfolgreich, da der BGH sich meiner Argumentation anschloss und ebenfalls erweiterte Feststellungen zur eventuell erheblich verminderten Schuldfähigkeit meines Mandanten forderte.
Im erneuten Prozess hat sich meine Verteidigertätigkeit dann insofern als erfolgreich erwiesen, als die Strafe gegen meinen Mandanten fast halbiert wurde.
Unter Anrechnung der Untersuchungshaft etc. konnte er kurz darauf die JVA verlassen.
Auch hier hat sich eine hartnäckige, zielorientierte Verteidigertätigkeit letztendlich erfolgreich durchgesetzt.
